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Kopieren als Kulturtechnik

Rettet Dillo!

6. August 2007 von Christian Imhorst


Dieser Artikel ist erstmals erschienen im
freiesMagazin 07/2007 Juli. Ausgabe 07/2007 als PDF herunterladen.

Der kleine und schnelle Webbrowser Dillo [1] ist vielleicht schon bald nur noch ein Datenfragment im Archiv der Geschichte freier Software. Das Projekt wurde von seinem Maintainer Jorge Arellano Cid im April 2007 eingefroren, da Entwickler und Unterstützung aus der Industrie fehlen.

Laut eigener Aussage ist es für die Entwickler sehr schwierig und langwierig einen funktionsfähigen Browser zu schreiben, wenn man seine Brötchen mit etwas anderem verdienen muss und an Dillo nur in seiner Freizeit programmieren kann. Damit der Browser weiter entwickelt wird, bräuchte das Projekt Kernentwickler und Sponsoren. Die aktuelle Version 0.8.6 ist mittlerweile über ein Jahr alt und eine Unterstützung scheint nicht in Sicht.

Das Projekt wurde im Jahr 2000 gestartet, um einen schlanken Webbrowser für Embedded-Systeme unter der GPL zu schaffen. Von Anfang an sollte Dillo aber auch auf weiteren Plattformen einsetzbar sein. Nach dem Willen der Entwickler soll der kleine Browser zur Demokratisierung der Zugangsinformationen zum Netz beitragen und Menschen in die Lage versetzen, am Informationsfluss des World Wide Webs (WWW) teilzuhaben, auch wenn ihre Zugangsvoraussetzungen schlecht sind, weil sie entweder veraltete Hardware oder nur Handhelds und PDAs zur Verfügung haben. Daher läuft Dillo auf so ziemlich allen Betriebssystemen und hat als Mindestanforderung einen 486er PC mit 8 MB Arbeitsspeicher. Dieses Feature sorgt dafür, dass Dillo zum Standardbrowser für kleine Linux-Distributionen wie Damn Small Linux oder DeLi-Linux geworden ist, die sich auf den Einsatz auf älterer Hardware spezialisiert haben.

Installation

Um sich unter GNU/Linux ein Bild von dem Browser machen zu können, kann man ihn einfach über die Paketverwaltung installieren, da sich das Softwarepaket dillo zum Beispiel unter Fedora in „Extras“ und unter Ubuntu in „Universe“ befindet. Leider trägt sich Dillo nicht von allein in ein Anwendungs- oder Startmenü ein, so dass man ihn im Terminal oder über die Tastenkombination Alt + F2 mit dem Befehl dillo starten muss.

Dillo wird in jeder Distribution anders gepflegt. Unter Ubuntu und Debian verrät einem die Startseite als erstes, dass es sich bei diesem Browser um die gepatchte Version 0.8.5-i18n handelt. Durch den Patch i18n kommt Dillo unter anderem mit sprachlichen Eigenheiten wie Umlauten oder japanischen Schriftzeichen klar. Leider findet man in den Quellen nur diese leicht veraltete Version des Browsers. Das Paket wird wohl nicht mehr gepflegt, da weder in Ubuntu noch in Debian auf die Version 0.8.6 aktualisiert wurde. Ruft man Dillo unter Fedora auf, verrät einem die Startseite, dass man zwar den aktuellen Browser benutzt, dafür aber leider nur die offizielle und ungepatchte Version, die mit einigen Einschränkungen daher kommt.

Einen aktuellen und gepatchten Dillo muss man sich also in jedem Fall selber backen. Die Quelldateien sollte man sich aber nicht von dillo.org besorgen, sondern gleich die gepatchte Version nehmen, die Tabbed-Browsing unterstützt, Frames anzeigt, Umlaute und andere Schriftzeichen richtig darstellt und SSL, das Verschlüsselungsprotokoll für Datenübertragung im Internet, beherrscht. Man kann sie sich unter [2] herunterladen. Das Archiv mit den Quelldateien entpackt man am besten ins Home-Verzeichnis und wechselt mit dem Befehl cd dort hinein:

cd dillo-0.8.6-i18n-misc-20060709/

Damit der Quellcode von Dillo problemlos kompiliert werden kann, benötigt man neben dem üblichen C/C++-Compiler und checkinstall noch folgende Pakete:

  • libglib1.2-dev
  • libgtk1.2-dev
  • libssl-dev
  • libxft-dev
  • libpng12-dev
  • libjpeg62-dev

Die neueste Version von Dillo benutzt teilweise bereits FLTK 2.0, ein GUI-Toolkit für 3DGrafikprogrammierung. Falls es eine nächste Version des Browsers geben wird, wird dieses Toolkit vollständig GTK+ ersetzen. In der Version 0.8.6 ist nur die Download-GUI damit erstellt worden. Da FLTK 2.0 aber noch nicht in den Ubuntu- und Fedora-Quellen vorhanden ist, lässt man die Download-GUI beim Kompilieren am besten weg. Dazu ruft man configure mit folgender Option auf:

./configure --disable-dlgui

Anschließend beginnt endlich das Kompilieren mit make und sudo checkinstall. Die neue Version wird automatisch in das Verzeichnis /usr/local/bin/ installiert. Dillo wird dann ebenfalls mit dem Befehl dillo im Terminal oder über die Tastenkombination Alt + F2 gestartet.

Benutzung

Wie jeder gute Browser kann Dillo HTMLSeiten darstellen, im Dateisystem browsen, Bilder im JPG-, PNG- oder GIF-Formt anzeigen, Textdateien darstellen und er unterstützt Cookies und SSL. Dafür beherrscht er kein JavaScript, kein Flash und — was noch schmerzhafter ist — keine Cascading Style Sheets (CSS), dem Layout-Standard im Web2.0. Das hat allerdings den Vorteil, dass man beim Surfen von vorneherein ein paar Sicherheitsrisiken weniger hat und keine nervigen Fragen von befreundeten Webdesignern mehr beantworten muss, wie man das Layout findet. Allerdings entgehen einem mit Dillo auch ein paar wunderschöne Seiten im WWW, und man reduziert das Internet wieder auf seinen Ursprungsgedanken, nämlich eine Vielzahl an Textinformationsquellen zu liefern.

Die Einstellungen erreicht man bei Dillo über View » Options …. Hier kann man unter Network die Startseite und die Homepage festlegen. Klickt man beim Surfen mit der rechten Maustaste auf eine Internetseite, bietet Dillo in einem Kontextmenü noch mehr Optionen an, wie Bookmark this Page. View page Source zeigt den Quelltext der Seite an und View page Bugs gibt Auskunft über HTMLFehler. Das besondere Feature an dem Kontextmenü ist aber Jump to …, denn man kann damit zu verschiedenen Abschnitten in der Seite springen. Wenn einen das Panel am oberen Rand stört, reicht übrigens ein Doppelklick mit der linken Maustaste aus, um es verschwinden zu lassen. Mit einem erneutem Doppelklick bekommt man es wieder zurück.

Cookies werden per Standardeinstellung nicht von Dillo akzeptiert. Möchte man welche benutzen, muss man einzelne Seiten in der Datei ~/.dillo/cookiesrc dafür freischalten. Eine Beispieldatei sieht dann etwa so aus:

DEFAULT DENY
slashdot.org ACCEPT
.host.com ACCEPT_SESSION

Wenn man einen schwachen Rechner hat und DeLi-Linux, Damn Small Linux oder Icebuntu (siehe freiesMagazin 05/2007) darauf einsetzt, oder wenn man wirklich schnell und ohne modernen Schnickschnack durchs Internet surfen möchte, ist Dillo super. Alle anderen werden sich wohl eher Browsern zuwenden, die mehr Komfort bieten.

Wenn man aber in C programmieren kann und nicht möchte, dass dieses tolle Projekt untergeht, sollte man einen CSS-Patch schreiben, damit das Browsen mit Dillo angenehmer wird. Die CSS-Spezifikationen stehen schon auf der Homepage von Dillo bereit [3]. Ansonsten bleibt nur die Hoffnung, dass das Projekt bald Geldgeber und neue Mitstreiter findet, um nicht unterzugehen.

Links
[1] http://www.dillo.org/
[2] http://teki.jpn.ph/pc/software/dillo-0.8.6-i18n-misc-20060709.tar.bz2
[3] http://www.dillo.org/CSS.html

Geschrieben in freiesMagazin