Gnu/Linux in Öffentlichen Bibliotheken
Warum sollte man Gnu/Linux in Öffentlichen Bibliotheken einsetzen? Dazu gibt es ein sehr gutes Thesenpapier von Roger Evans von der Deichmanske Bibliotek in Oslo; ein Vortrag, den er bereits 2005 auf der World Library and Information Congress: 71st IFLA General Conference and Council gehalten hat: Bereitstellung peppiger Dienste und solider Unterstützung mit Open-Source-Software. Sein These ist klar, einfach und stimmt:
Die Verwaltung immer knapper werdender Mittel verlange, dass Bibliothekarinnen und Bibliothekare die Kosten für ihre IT, also für Web- und Internetdienste, Anschaffung neuer Computer, Datenbanken etc. überdenken müssen. Man könne zwar ein Jahr lang sein begrenztes und ständig schrumpfendes Bücherbudget dafür plündern, müsse aber auch sehen, dass im nächsten Jahr häufig wieder Lizenz- und andere Folgekosten für die proprietäre Software anfallen.
Ein wichtiger Faktor bei der Kalkulation der Gesamtbetriebskosten für eine Computerplattform sind die Anschaffungs- und Installationskosten sowie die Kosten für die Verwaltung der Lizenzen und des Virenschutzes. Mit Linux liegen sie praktisch bei Null. Wie viel zahlen sie an Symantec oder andere Virenschutzverkäufer für Ihre Microsoft-Computer? Wie viel Zeit verbringen Sie nach einem ’Vireninfekt’ damit, Viren zu entfernen oder Windows neu zu installieren? Wie viele Bücher könnten Sie ins Regal stellen, wenn diese Kosten nicht anfielen?
Nutze die Bibliothek dagegen Open Source-Software, spare sie
- Lizenzgebühren, wenn sie eine Linux-Distribution anstelle von Windows, OpenOffice.org anstelle von MS-Office, MySQL anstelle von Oracle-Datenbanken u.s.w. einsetze.
- Anschaffungskosten für neue Computer, da Gnu/Linux und weitere Open Source-Software auf kostengünstigere und älterer Hardware läuft. So kann ein Linux-System wenigstens doppelt so lange auf derselben Hardware genutzt werden, wie Windows. [1]
- Entwicklungskosten für neue Dienste und Software. Neue Projekte können von mehreren Bibliotheken gemeinsam mit Open Source-Software entwickelt, genutzt und unter einer freien Lizenz veröffentlicht werden. Das spart nicht nur Kosten, sondern fördert auch Innovationen: Anregungen, Ergänzungen und Änderungen Dritter können in das eigene Projekt wieder zurückfließen.
In seinem Vortrag geht Roger Evans außerdem auf einige sehr interessante und praktische Erfahrungen ein, die er bei der Umstellung auf Open Source-Software an der Deichmanske Bibliotek gemacht hat. Insbesondere auch auf Hindernisse und Widerstände, auf die man bei Mitarbeitern und Vorgesetzten stoßen kann. Das Lesen lohnt sich also. Allerdings hat er einen Punkt vergessen, warum Gnu/Linux auch noch ein Gewinn für Öffentliche Bibliotheken ist: die interkulturelle Bibliotheksarbeit.
Für einige Ausländer und Migranten sind Öffentliche Bibliotheken eine wichtige Anlaufstelle: Hier können sie Lernbücher für „Deutsch als Fremdsprache“ bekommen und — wenn die Bibliothek gut sortiert ist — auch Bücher in der eigenen Muttersprache ausleihen, Zeitung lesen und im Internet surfen. Dafür könnte man zum Beispiel Firefox in verschieden Sprachen anbieten, indem man im Terminal die Umgebungsvariable für die Sprache, die heißt LANG, ändert. Möchte man also Firefox auf Spanisch haben, muss man zuerst die entsprechenden Sprachpakete installieren. Bei den Linux-Distributionen Debian oder Ubuntu sind das:
- language-pack-es mozilla-firefox-locale-es-es
Bei anderen Distributionen wie OpenSuse oder Red Hat/Fedora können die Namen abweichen. Danach öffnet man ein Terminal, ändert die Sprach-Variable und startet Firefox:
LANG=es_ES.utf8; firefox
Will man Firefox auf Englisch starten, wäre der Befehl
LANG=en_US.utf8; firefox
und wieder auf Deutsch
LANG=de_DE.utf8; firefox
Das geht natürlich nicht nur mit Firefox, sondern auch mit anderen Programmen. Möchte man das Textverarbeitungsprogramm von OpenOffice.org z.B. auf Spanisch haben, geht der Befehl so:
LANG=es_ES.utf8; ooffice -writer
Das im Vortrag angesprochene LibraryLinux scheint es nicht mehr zu geben. Bleibt also die Frage, welche Linux-Distribution für Öffentliche Bibliotheken interessant sein könnten und wie man einen interkulturellen Desktop dafür einrichten kann. Evans sieht in Skolelinux, eine Distribution extra für Schulen, eine gute Grundlage für LibraryLinux. Für Internet-PCs, die in Bibliotheken für Besucher bereit stehen, um Online-Zeitungen zu lesen, in der Wikipedia nachzuschlagen oder E-Mails zu checken, sollte es jede Distribution tun, die für den Einsatz auf ältere Hardware abgestimmt ist, und deren Desktop mehr mit Symbolen als mit Text arbeitet, damit er auch bei der interkulturellen Bibliotheksarbeit gut einsetzbar ist. Arbeitsplatzrechner für Mitarbeiter unterliegen da schon anderen Anforderungen. Allein durch spezielle Software für die Bibliothek, welche die Distribution bei der Installation mitbringen sollte. Die Software müsste also viel spezialisierter sein, als für einfache Internet-PCs. Skolelinux wäre hier als Grundlage sicher keine schlechte Wahl, aber man könnte auch eine andere Ressourcen schonende Distribution dafür verwenden.
Endnoten:
[1] Aus Open Source Software Trials in Government Final Report:
Industry observers quote a typical hardware refresh period for Microsoft Windows systems as 3-4 years; a major UK manufacturing organisation quotes its hardware refresh period for Linux systems as 6-8 years.
Geschrieben in Gnu/Linux